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Hannover wirtschaftlich am Abgrund – etliche Unternehmen geben auf

Ist Hannover wirtschaftlich am Abgrund? 34 Milliarden Schulden bei den Gläubigern? Etliche Unternehmen geben auf und haben Insolvenz angemeldet!
Schild mit Wir schliessen

Wie steht es wirklich um die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover? Ein Blick in die Innenstadt zeigt, wie es um Hannover steht: Ständig wechselnde Geschäfte und Leerstände zeigen, dass es wirtschaftlich um Hannover nicht gerade rosig steht. Aber es sind nicht nur die kleinen Geschäfte, die unter der angespannten wirtschaftlichen Situation leiden. Auch große Namen stehen auf der Liste derer, die Insolvenz angemeldet haben oder ihre Filialen in Hannover schließen.

Der stationäre Handel hat es ja ohnehin nicht einfach, mit den lockenden Angeboten aus dem Internet mitzuhalten, doch steigende Pachten und Energiekosten sowie für viele Bereiche deutlich höhere Preise für Rohstoffe sorgen dafür, dass Hannovers Läden ihre Türen für immer schließen. Doch es sind nicht nur Schließungen, die zeigen, dass es in Hannover so nicht weitergeht. Auch der Verkauf von Unternehmen unterstreicht: Irgendetwas läuft hier schief.

Gebäude von Galeria Kaufhof

Galeria Kaufhof

Seit Jahren ist der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof in Schieflage. Ein Drittel der Filialen soll geschlossen werden, um eine Insolvenz abzuwenden. Verluste in dreistelliger Millionenhöhe, Tausende gestrichene Stellen. Staatshilfen konnten bisher weitere schlimmere Folgen verhindern. Pläne gibt es, dass der Onlinehändler buero.de 47 der Filialen übernehmen will, besonders „mittelgroße Städte“ sind im Visier. Doch ob es wirklich zu dieser Übernahme kommt, steht noch in den Sternen.

RENO

Verkauf statt Schließung heißt es beim Schuhhändler RENO. Damit kann dem finalen Schritt der Insolvenz ausgewichen werden. Von einer neuen Positionierung des angeschlagenen Unternehmens versprechen sich die neuen Eigentümer CM Solutions mit Kooperationspartner GA Europe wieder steigende Umsätze, nachdem die Käuferzahlen während der Corona-Pandemie deutlich zurückgegangen waren und Rücklagen aufgebraucht wurden. Auch in diesem Fall sprang das Land Niedersachsen mit einer überaus großzügigen Finanzierungshilfe von über 52 Millionen Euro ein.

Geschlossene Filiale von Reno
Schließende Filiale von dem Fachschuhhändler Görtz

Görtz

Schon wieder Schuhe. Auch das etablierte Schuhhaus Görtz steckt massiv in der Klemme. Was 1875 in Hamburg begann, entwickelte sich schnell zu einem Erfolgsmodell. Umsätze beliefen sich in den Jahren von 2013 bis 2019 auf einem recht stabilen Niveau: um die 255 Millionen Euro. Doch auch hier schlug die Corona-Pandemie zu. 2020 brachen die Umsätze ein, verringerten sich um ca. ein Fünftel. Filialschließungen sollen dafür sorgen, die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Welche Filialen betroffen sind, ist noch nicht abschließend festgelegt. Pachtverträge wurden bereits gekündigt, so viel steht fest.

Schmorl & von Seefeld

Bereits im Jahr 2005 ging die bekannteste und beliebte Buchhandlung Hannovers insolvent. Damit gehört sie keineswegs zu den Opfern der Corona-Pandemie, sondern litt eher aufgrund des steigenden Online-Konsums der Hannoveraner. Drei Filialen gab es in der Geschichte der traditionsreichen Buchhandlung, zwei in Hannover selbst, eine in Göttingen. Noch im Jahr der Schließung übernahm die Buchhandelskette Hugendubel die insolvente Buchhandlung, nach sieben Jahren schließlich änderte sich auch der Name in Hugendubel. Doch auch der in vielen Städten beheimatete Buchriese ist seit 2013 nicht mehr ganz so auf Erfolgskurs. Während sich der Umsatz in den Jahren 2006 bis 2012 zwischen knapp 657 und gut 750 Millionen Euro bewegte, sank er in 2013 rapide ab auf 390 Millionen Euro. In 2020 wurden nur noch 290 Millionen Euro erwirtschaftet. Kein Wunder, ist die Buchbranche doch umkämpfter denn je. Nach „Harry Potter“ und „50 Shades of Grey“ vermisst man die Bücher, die sich monatelang auf den ersten Plätzen der Bestsellerlisten halten.

Buchhandlung Hugendubel
Elektrofachhandel Conrad am Steintor

Conrad

Doch es sind nicht nur Bücher, die in den Regalen bleiben. Auch der Elektrofachhandel Conrad schließt seine Filialen. Nicht nur in Hannover, sondern auch in Berlin, Bonn, Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg und Mannheim. Damit wiederholt sich für Conrad die Geschichte, denn bereits in den 1970er Jahren wurden fast alle damaligen Filialen geschlossen und sich voll und ganz auf den Versandhandel konzentriert. Auch im Bereich Elektronik hat sich gezeigt, dass der Endverbraucher lieber im Internet shoppt, die Corona-Pandemie hat dieses Verhalten verstärkt. Eine Filiale in Hürth wurde bislang zu einer B2B-Filiale, ausschließlich für Geschäftskunden. Das Unternehmen selbst sagt, dass es nach weiteren Standorten für solche Geschäftskundenfilialen suche. Privatkunden müssen sich entweder auf den Weg in die Filiale in Wernberg-Köblitz in der Oberpfalz machen oder im Onlineshop von Conrad shoppen.

Bäckerei Bosselmann

Rund 20 Filialen im Raum Hannover gehörten der Bäckerei Bosselmann, guter deutscher Mittelstand. Nach der Übernahme durch den ehemaligen Konkurrenten, die Heide-Bäckerei Meyer, sollte vieles bleiben, wie die Hannoveraner es kannten. Gleiche Produkte, gleicher Name, doch es kam anders. Die eigene Marke ist für den neuen Besitzer wichtig; verständlich und doch ist es schade, dass mit dem Namen Bosselmann ein Urgestein Hannovers in Sachen Bäckerhandwerk verschwindet. Noch während der Corona-Pandemie machte Besitzer Bosselmann mit einem emotionalen Video in den sozialen Medien von sich reden. Er fürchtete um seine 205 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Sinkende Käuferzahlen, Angst, sich in den Läden anzustecken und Krankmeldungen der Belegschaft: All das führte dazu, dass Bosselmann nicht mehr konnte. Auch wenn die Übernahme aus Altersgründen passiert, ganz spurlos dürfte Corona nicht am Unternehmer vorbeigegangen sein. Doch scheinbar kann Bosselmann ganz gut mit seinem Lebenswerk abschließen, denn nun „entscheidet Familie Meyer – das Unternehmen ist verkauft.“

geschlossene Bäckerei Bosselmann

Weitere Bäckereien

Wie der Bäckerei Bosselmann ergeht es auch vielen weiteren Betrieben im Raum Hannover, gerade den Bäckereien. Sie stehen vor dem Verkauf, vor dem Ruin. In Hannover gehen die Angestellten auf die Straße und fordern Unterstützung. Nach der Pandemie sind es jetzt die explodierenden Energiepreise, die den Bäckern das Leben schwer machen. In den Backstuben müssen die Öfen nun einmal laufen, Zutaten müssen gekühlt werden und damit die Tortenauslage lange lecker aussieht, muss eben auch hier gekühlt werden. Fast täglich werden bestehende Verträge gekündigt, Bäcker Eckehard Vatter bekam einen Schock, als sein neuer Gasversorger den monatlichen Preis von knapp 6.000 Euro auf einmal auf stattliche 75.000 Euro anhob. Da kämen selbst industrielle Großbäckereien an ihre Grenzen. Aber auch die gestiegenen Rohstoffpreise machen den Bäckern zu schaffen. Viele konzentrieren ihr Sortiment, verzichten auf ausgefallene Backwaren. Auch der gestiegene Mindestlohn zehrt zusätzlich.

Niki-de-Saint-Phalle-Promenade

Imbisse in der Niki-de-Saint-Phalle-Promenade

Bleiben wir beim Thema Essen. Auch die Läden an der ehemaligen Passerelle, der heutigen Niki-de-Saint-Phalle-Promenade, zeigen, dass es Hannover wirtschaftlich nicht gut geht. Auf den 650 Metern der unterirdisch verlaufenden Ladenpassage fanden sich immer eher kleinere Läden. Doch immer mehr der kleinen und unabhängigen Geschäfte müssen aufgeben. Zwar gibt man sich Mühe, die leeren Räumlichkeiten zeitweise anders zu nutzen, zum Beispiel mit Ausstellungen, doch täuscht dies nicht über das Bild hinweg, dass Hannover gerade für Läden, die keiner Kette angehören, zusehends unattraktiver zu werden scheint. Natürlich schlagen auch bei solchen gastronomischen Betrieben, von denen wir hier hauptsächlich sprechen, die wahnsinnig gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie zu. Diese würden Preissteigerungen nötig machen, die kaum ein Verbraucher gewillt ist zu tragen. Folglich bleibt den Besitzern oft nur, ihre Läden aufzugeben.

Leysieffer

Im Jahr 2019 feierte das traditionsreiche Unternehmen noch sein 110-jähriges Bestehen, doch die Insolvenz ist da. Qualität zahlt sich scheinbar nicht immer aus. Das Familienunternehmen, das seit 2003 bereits in der vierten Generation geführt wurde, betrieb fast 30 Standorte in ganz Deutschland, sogar in Peking hatte Leysieffer eine Niederlassung eröffnet. Doch es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Leysieffer, denn die Zeitfracht-Gruppe, die zuvor schon Moderiese Adler aus dem finanziellen Ruin geholt hatte, übernimmt den Schokoladenhersteller mit Tradition mitsamt allen Angestellten. Doch auch das Familienunternehmen Zeitfracht, das mit über 6.000 Mitarbeitenden mit Adler erstmals Geschäfte mit Endkunden macht, bemerkt den Wandel im Konsumverhalten. Ursprünglich in der Logistik beheimatet, hatte Zeitfracht zum Beispiel den Paketdienst DPD mitgegründet, später aber gewinnbringend verkauft. Doch wegen erhöhter Inflation und den steigenden Energiekosten halten die Verbraucher ihr Geld zusammen. Trotzdem weist das Unternehmen eine wachsende Marge auf, 2021 immerhin stieg sie von gut fünf auf neun Prozent. Sind breit diversifizierte Unternehmen also die Zukunft und bedeuten sie das Ende von kleinen, unabhängigen Betrieben?

Leysieffer Filiale im Bahnhof
Hussel Filiale am Kröpke

Hussel, Arko und Co.

So wie Leysieffer traf es auch die Deutsche Confiserie Holding, zu der bekannte Namen wie Hussel, Arko und Eilles gehören. 2021 wurde Insolvenz angemeldet. Auch die auf Konfiserie, Tee und Kaffee spezialisierten Geschäfte mussten während der Corona-Shutdowns ihre Türen schließen. Erholt haben sie sich von diesem Einschnitt nicht. 300 Filialen und 1.300 Beschäftigte zählte die Gruppe zu Beginn des Insolvenzverfahrens, das zum Glück positiv beendet werden konnte. Ein Investor wurde gefunden, das Geschäft kann weitergehen. Der „kundenorientierte Einzelhandel hat eine erfolgreiche Zukunft vor sich“, so Investor Morzynski.

Die Gründe für die Pleiten

Ja, Corona und steigende Energiepreise sind selbstverständlich valide Gründe. Doch sind es die einzigen Auslöser für das Sterben vieler Unternehmen, oft mit langer Tradition im Raum Hannover?

Klar ist: Die Menschen sind anspruchsvoller geworden, sie verlangen guten Service und sind in den meisten Fällen auch bereit, dafür zu bezahlen. Doch wo sind die Menschen im Einzelhandel, die einen exzellenten Service anbieten können? Immenser Kostendruck zwingt Besitzer, auch ungelernte Beschäftigte einzustellen. Bestes Beispiel ist die Gastronomie. Schon vor Corona fanden sich in Hannovers Gastronomie und Kneipen an vielen Stellen Studierende, die mit einem flexiblen Job ihr Gehalt aufbessern wollten. Nach den Schließungen haben sich viele einen anderen Job gesucht. Das Ergebnis: immer weniger gelernte Servicekräfte, was für viele Gäste mit einem schlechteren Serviceerlebnis einhergeht.

Im Jahr 2020 gaben 271 Firmen auf, darunter mehr große Namen als kleine Geschäfte. Einzelhandel, Mode und Autozulieferer waren besonders betroffen. Nach Schätzungen von Creditreform beläuft sich der Schaden der Gläubiger auf 34 Milliarden Euro. Aber ist wirklich nur Corona schuld?

Anschluss verpasst

Viele der Unternehmen, die während oder nach den Corona-Maßnahmen in Schieflage gerieten, hatten schon vorher ihre Probleme. Der stationäre Einzel- und Modehandel kämpft bereits seit geraumer Zeit aussichtslos gegen die Konkurrenz aus dem Internet. Auch der Trend zu Elektroautos nimmt den Autozulieferern wertvolles Geschäft. Traditionsreiche Marken, die es nicht geschafft haben, mit dem neuen, vielleicht schnelleren Lebenswandel ihrer Kundschaft Schritt zu halten, geben auf. Erfolgreiche Konzepte verzahnen immer mehr die Welt von offline und online. An vielen Stellen geht der Trend Richtung nachhaltig und serviceorientiert. Unternehmen, die es schaffen, sich dem Lifestyle der nächsten Generationen immer wieder anzupassen, werden auch in Zukunft weniger Probleme haben. Vielleicht finden sich dann auch für Hannover wieder interessante Geschäfte, die der Stadt wieder zu mehr Attraktivität verhelfen.

Die Folgen für Hannover

Was passiert mit Hannover, wenn immer mehr Geschäfte aufgeben, immer mehr Unternehmen dem Standort den Rücken kehren? Zuallererst trifft es natürlich die in den Unternehmen arbeitende Bevölkerung. Menschen verlieren ihre Arbeitsplätze. Und trotz Fachkräftemangel gibt es immer wieder gut ausgebildete und erfahrene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einfach keinen Job finden. Doch auch die Stadt selbst bekommt die Schließung von Unternehmen finanziell zu spüren. Die Einnahmen der Gewerbesteuer fallen weg, andere Unternehmen könnten sich ein Beispiel nehmen und ebenfalls abwandern. Damit beginnt eine Abwärtsspirale. Ausbleibende Mieten von Unternehmen und Privatleuten können dafür sorgen, dass Immobilienbesitzer ebenfalls pleitegehen. Verwahrloste Immobilien, sinkende Immobilienpreise und eine allgemeine Unattraktivität des Standortes sind die möglichen Folgen.

Aufgeben ist keine Option

Ein Kommentar / Meinung von Winfried Wengenroth: “Als Inhaber von City Immobilienmakler freue ich mich, immer mehr eine besondere Haltung von uns Hannoveranern feststellen zu dürfen. Ich spüre ein: Wir sind Hannoveraner. Wir halten zusammen. Man hilft sich mehr. Man achtet mehr auf den anderen. Wirtschaftlich sieht es gerade nicht so gut aus, aber menschlich rücken wir zusammen. Und ganz ehrlich – das steht uns besser als Ruhm und Erfolg. Hannover ist eine geile Stadt. Und wir Hannoveraner kennen das Wort “Aufgeben” oder “Insolvenz” nicht, sondern wir kennen “Jetzt erst recht” und “Wir stehen auf” – gerade jetzt umso mehr. Wir schaffen Hannover!”

 

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